Zuletzt aktualisiert am 09.05.2017 von
Arthritis (Gelenkbeschwerden – Rheuma) bei Cystischer Fibrose.
Etwa 2-12% der an Cystischer Fibrose (CF) Betroffenen entwickeln während ihres Krankheitsverlaufes eine Gelenkbeteiligung. Die Gelenkbeschwerden beginnen durchschnittlich mit einem Alter von 15 Jahren und sind nicht abhängig von der Schwere des Verlaufs der Mukoviszidose. Ein Zusammenhang mit bestimmten, im Tierversuch den Gelenkknorpel angreifenden Antibiotika (Chinolonderivate, wie z.B. Ciprobay oder Tavanic), konnte nicht festgestellt werden. Es können mindestens zwei verschiedene Verlaufsformen der Gelenkerkrankung bei CF beschrieben werden:
Episodische Arthritis
Die häufigere Form (ca. 2-8 %), die sogenannte Episodische Arthritis, wird durch wiederholte Attacken von ca. 2-7 Tagen ( bis zu 2 Wochen) charakterisiert und beginnt durchschnittlich im Alter von 11 Jahren. Es überwiegen zunächst erhebliche Schmerzen, die innerhalb eines kurzen Zeitraumes von 12- 24 Stunden auftreten. Betroffen sind sowohl grosse als auch kleine Gelenke der oberen und unteren Extremitäten (Knie- und Sprunggelenke, kleine Fingergelenke u.a.). Oft sind unterschiedliche Gelenke beider Körperhälften betroffen (asymmetrische Gelenkbeteiligung). Der Verlauf steht in keinem direkten Zusammenhang zu einer Verschlechterung (Exazerbation) der Lungenerkrankung. Es werden milde Gelenkentzündungen (Arthritiden) mit Ergüssen, umgebender Weichteilschwellung, jedoch meist ohne bleibende knöcherne Gelenkzerstörung beschrieben. Häufig treten in der Umgebung der betroffenen Gelenke Symtome einer Entzündung kleiner Blutgefässe der Haut (Vaskulitis) auf: Hautrötungen (rash), punktförmige tastbare Hautblutungen (Purpura), runde, schmerzhafte und bläuliche Hautverdickungen (Erythema nodosum). In seltenen Fällen ist auch eine Vaskulitis innerer Organe wie Niere und Zentralnervensystem beschrieben. Hier muss eine spezielle Diagnostik und Therapie erfolgen.
Laborwerte
Labordiagnostisch sind erhöhte Entzündungsparameter zu finden wie Blutsenkung (BSG) oder C-reaktives Protein (CrP). Diese Entzündungsparameter sind jedoch nicht charakteristisch für die Gelenkentzündung sondern können auch bei jeder anderen Entzündung (z.B. Exazerbation der chronischen Lungenentzündung bei der CF) erhöht sein. Eine ursächliche Rolle sollen zirkulierende Immunkomplexe (ZIK) spielen, die bei CF- Betroffenen jedoch auch ohne Arthropathie erhöht gefunden werden. Hierbei handelt es sich um Komplexe von z.B. bakteriellen Bestandteilen (Antigenen) und gegen sie gerichtete Antikörper, wie sie bei der der Abwehr bakterieller Entzündungen im Blut nachgewiesen werden können. Auch die häufig erhöhten Immunglobulinspiegel im Blut von CF- Betroffenen sind nicht sicher mit der Gelenkbeteiligung im Zusammenhang zu sehen, da sie bei vielen CF- Betroffenen erhöht nachgewiesen werden. Typische Labormarker für rheumatologische Gelenkerkrankungen wie z.B. Rheumafaktoren (RF) oder antinukleäre Antikörper (ANA, Antikörper gegen Zellkernbestandteile der körpereigenen Zellen, d.h. sogenannte Autoantikörper) sind in der Regel nicht nachweisbar. Auch das sogenannte Histokompatibilitätsantigen HLA-B27 (charakteristischer Zelloberflächenmarker bei speziellen rheumatischen Erkrankungen wie z.B. Mb. Bechterew) wird nicht gehäuft nachgewiesen.
Behandlung
Die Arthritis ist meist von alleine (spontan) rückläufig. Die Behandlung in der akut schmerzhaften Phase erfolgt mit sogenannten nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR, Medikamente zur Schmerz- und Entzündungshemmung ohne Cortison als wirksamen Bestandteil). Hier kommen in erster Linie Präparate wie Diclofenac, Naproxen, Ibuprofen oder Rofecoxib in Frage. Mitunter ist auch die (kurzzeitige) Gabe von Steroiden (Cortison, Prednisolon, Methylprednisolon) nicht zu umgehen. In besonders schweren Fällen ist auch die Gabe von cortisonhaltigen Präparaten direkt in das Gelenk (intraarticuläre Steroidinjektion z.B. mit Triamzinolonhexacetonid) erforderlich. In der Literatur wird auch über Einzelfälle mit der Notwendigkeit des Gelenkersatzes (z.B. Hüftgelenke) berichtet.
Ursache
Über die Ursache der Episodischen Arthritis besteht bisher keine klare Vorstellung. Als eine Möglichkeit wird die chronische bakterielle Stimulierung (Anregung) des Immunsystems (Haemophilus-, Staphylokokkus-, Pseudomonasbesiedlung des Atemtraktes) ähnlich wie bei der Arthritis nach bakteriellen Durchfallserkrankungen oder bei der Chronischen Polyarthritis mit Bronchiektasen gesehen. Die dabei vom Immunsystem gebildeten Immunglobuline (Antikörper) und ZIK können sich in verschiedenen Organen ablagern und ihrerseits selbst des Immunsystem zu entzündlichen Abwehrreaktionen anregen.
Hyperthrophische Pulmonale Osteoarthropathie
Deutlich seltener ist eine zweite Form der Arthropathie bei CF – die Hyperthrophische Pulmonale Osteoarthropathie (HPOA). Der Verlauf ist sehr schmerzhaft und zum Teil “springend” (migratorisch) von einem zum anderen Gelenk bzw. Knochen und beginnt durchschnittlich im Alter von 15 Jahren. Betroffen sind nicht so sehr die Gelenke selbst als vielmehr die körperfernen Abschnitte der sogenannten langen Röhrenknochen in Gelenknähe im Bereich der Kniegelenke, der Sprunggelenke, Handgelenke aber auch der Fingergelenke wie zum Beispiel die Fingerendglieder als sogenannte Trommelschlegelfinger. Diese Veränderungen treten oft symmetrisch auf. Die Beschwerden nehmen mit der Zunahme der Lungenbeteiligung zu und sind wahrscheinlich von dem Ausmaß der chronischen Mangelversorgung des Knochens mit Sauerstoff abhängig. Der Knochen reagiert dann mit einer Knochenneubildung im Bereich der den Knochen umgebenden Knochenhaut (produktive Periostitis) und nimmt an Umfang zu. Im Bereich der Haut werden Regulationsstörungen der Durchblutung (Rötung, Blässe) sowie Schwitzen bemerkt (Störung des autonomen Nervensystems, welches das körpereigene innere Milieu wie z.B. die Sauerstoffversorgung reguliert). Die Schmerzen sind nicht so ausgeprägt wie bei der Episodischen Arthritis.
Laborwerte
Charakteristische Laborparameter stehen nicht zur Verfügung. Es bestehen allenfalls Hinweise auf Zunahme der Lungenbeteiligung und damit im Zusammenhang stehend auf Sauerstoffunterversorgung des Körpers (Hypoxie, durch Blutgasanalyse nachweisbar). Die Knochenneubildung kann z.B. mit einer Röntgenaufnahme der betroffenen Region sichtbar gemacht werden.
Behandlung
Die Behandlung ist oft nur unzureichend möglich. Die Verbesserung der Sauerstoffversorgung durch effektive antibiotische Therapie der chronischen Lungenentzündung gelingt oft nur zeitweise. Der Einsatz von NSAR kann die Beschwerden oft nur unzureichend unterdrücken. Der Einsatz stärkerer Schmerzmittel führt mitunter zur Abhängigkeit von diesen Mitteln. Um den Zusammenhang der Regulation des Körpermilieus (Sauerstoffmangel und Knochenneubildung) zu unterbrechen, sind Blockaden der entsprechenden Nerven (Nervus vagus) mit Medikamenten (Atropin) oder auch durch chirurgische Durchtrennung, allerdings mit wechselndem Erfolg, versucht worden. Vergleichbare Symptome der Hypertrophischen Pulmonalen Osteoarthropathie kommen bei anderen Erkrankungen mit chronischem Sauerstoffmangel wie z.B. Herzfehlern vor.
Ursache
Die Ursache der HPOA ist bisher ebenfalls ungeklärt. Eine Hypothese besagt, dass die im Knochenmark befindlichen Megakaryozyten (produzieren die für die Blutgerinnung notwendigen Blutplättchen) in Bereichen kleiner Blutgefässe, die nicht ausreichend mit Sauerstoff versogt werden, zu einer verstärkten Ausschüttung von Blutplättchen führen, die ihrerseits einen Wachstumsfaktor abgeben. Dieser führt zu der beschriebenen Knochenneubildung (z.B. Trommelschlegelfinger) in den betroffenen Regionen.
Fazit
Wahrscheinlich kommt es bei einer größeren Zahl von Betroffenen zum Auftreten von beiden Formen der Arthropathie, so dass im Einzelfall geprüft werden muss, welche Form in diesem Fall überwiegt und welche Therapieoption die besten Erfolge bringt.
Letztendlich ist auch in Einzelfällen das Vorliegen klassischer Rheumatischer Arthritiden wie z.B. einer seropositiven- oder seronegativen Polyarthritis bei CF-Patienten beschrieben worden. Ob hier ein chronisches Entzündungsgeschehen ebenfalls auslösend oder unterhaltend wirkt oder zwei Erkrankungen nebeneinander unabhängig voneinander ablaufen, kann derzeit nur vermutet werden. Hier ist auch typischerweise mit Zerstörung von Knorpel und Knochen bei längerem Krankheitsverlauf zu rechnen. Rheumafaktoren oder ANA können hier ebenfalls nachweisbar sein. Problematisch stellt sich dabei in jedem Fall die Therapie dar, weil die chronische Infektion des Atemtraktes ein möglichst funktionierendes Immunsystem zur Infektionsabwehr erforderlich macht, während die immunsuppressive (d.h. das Immunsystem unterdrückende) Therapie zur Behandlung der rheumatischen Erkrankung notwendig ist, die Infektionsabwehr andererseits jedoch herabsetzt. Weitere, bei CF- Betroffenen aufgetretene Autoimmunerkrankungen sind z.B. Sarkoidosen (Autoimmunerkrankung mit z.B. Lungen- und Hautbeteiligung) und Psoriasis- Arthritiden (Gelenkentzündung bei Schuppenflechte).
Verfasser:
Dr. Thomas Biedermann
Oberarzt der Kinderrheumatologie
Helios Klinikum Berlin-Buch
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Wiltbergstrasse 50, 13125 Berlin